2.5.2. Kreuzweg

Nach der großen Kircheninnenrenovierung von 1970/74 hatte unsere Stadtpfarrkirche keine Kreuzwegstationen mehr. Auf Bitten vieler Mitglieder der Pfarrei machten sich ab dem Jahr 2001 der damalige Stadtpfarrer, Dekan Johann Menzinger, und die Kirchenverwaltung auf die Suche nach Künstlern, die für die schwierige Aufgabe in Frage kamen, einen Kreuzweg für das gotische Gotteshaus zu schaffen.
Die Wahl fiel auf Wolfgang Klein (Bildhauer) und Theo Krötzinger (Maler), die beide in Ellzee, Kreis Günzburg wohnen und neben ihrer Lehrertätigkeit seit über 25 Jahren als bildende Künstler arbeiteten. Im Jahr 2003 wurde der neue Kreuzweg fertig und in den Kirchenraum integriert.
Der Bildhauer Wolfgang Klein schuf dieses Kunstwerk mit leicht plastischen Kreuzwegstationen aus bemalter Terrakotta. Jesus figuriert darauf als weiße Lichtgestalt, über die Welt erhaben, aber begleitet von Dunkelheiten und umgeben von höchst irdischen Lebenssituationen. Wolfgang Klein verarbeitet den Ton in dünnen Platten, die er rollt, faltet und staucht. So entstehen Bewegung und Dynamik in den Darstellungen. Außerdem nehmen die Figuren des Kreuzwegs dadurch die reiche Gewandfaltung der gotischen Fresken im Kirchenschiff auf und treten so mit ihnen in enge Beziehung.
Der Maler Theo Krötzinger hielt sich exakt an die Vorgabe, dass der Kreuzweg mit den vorherrschenden Farben in der Kirche harmonieren soll. Also verwendete er teure Erdsilikate wie Veroneser Grün, italienisch-englisches Ocker und französisch-italienisches Siena. Nicht zu schwach und nicht zu kräftig mussten die Farben aufgetragen werden – „kein leichtes Unterfangen“, wie der Maler sagte.
In einem Lichtwirbel endet der Rainer Kreuzweg. Nur das Gewand Jesu ist noch da, spiralig angezogen von einer Kraftmitte, die ins Helle führt. „Jesus wird ins Grab gelegt“ heißt die Station. Die paradoxe Aufschrift weist jedoch darüber hinaus: Porta mortis, porta vitae – das Tor des Todes ist das Tor zum Leben.

 

1. Station: Jesus wird zum Tod verurteilt

Jesus steht mit gebundenen Händen da. Er legt die gefesselten Hände in den Schoß: „Meine Zeit des Handelns, des Helfens, des Heilens ist vorbei. Mir sind die Hände gebunden; jetzt seid ihr dran.“ Jesu Blick sucht den Vater: Sein Wille soll geschehen.
Und rechts daneben König Herodes – eine Witzfigur und doch mit weltlicher Macht gekrönt, die er auskostet. Der Mensch erhebt sich über Gott, richtet über Gott, verurteilt Gott. Herodes zeigt auf Jesus, er berührt ihn: „Du bist der König der Juden, dass ich nicht lache – Du bist der König der Juden, ich weiß es und du musst weg, weil du mir, dem König Herodes, gefährlich wirst.“
Auf der linken Seite die Jünger – vom Mitleid bewegt – herzlich zugeneigt – ohnmächtig im Schmerz – haben nur noch ihr Mitgefühl. Der Hahn macht deutlich, ganz ohne Schuld ist keiner. Und die Menschen im unteren Teil: Sie drehen sich weg – keine Zeit – kein Interesse – einer hat sogar noch seinen Narrenhut auf: „Ich will unbeschwert leben – mich geht doch das nichts an, wenn Unschuldige verurteilt und gefoltert werden, selber schuld!“
Jesu Hände sind gebunden. Er fragt: „Wo stehst du?“

(Johann Menzinger)
 

 

 

 

 

 

 

2. Station: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Nicht aufgezwungen, sondern angenommen – weil es der Wille des Vaters ist. Das schwarze Kreuz, die dunklen Seiten der Menschen und der Menschheit – Jesus trägt sie mit – er bittet für sich und alle. Sein Gewand – fleckenlos, strahlend, bewegt im Auftrag für die Menschen. Sein Haupt - gekrönt mit den Leiden, mit den Schmerzen der Leidenden. Obwohl sie den Stab über ihn gebrochen haben „das Kreuz heilt Gebrochenes“. Die Hände in Unschuld waschen, die vorher weggeschaut haben, die so tun, als gäbe es weder Unrecht noch Verurteilung noch Dornenkrönung.
Unten im Bild die geballten Fäuste: Wir haben ein Gesetz, wer Unrecht tut, wessen Unrecht bekannt wird, muss bestraft werden: „Schurken haben nichts zu suchen in unserer Gesellschaft“.
Die geballte Faust – brutal – berechnend - gezielt – um das Unrecht anderer und damit andere zu vernichten, so meinen sie sich selber zu rechtfertigen. Doch „allein den Betern“ (linkes Bild) kann es noch gelingen, das Schwert über unseren Häuptern abzuwenden. Trage mit, brich nie den Stab über jemanden, wähne dich nie in makelloser Unschuld! Erbitte Gottes Gnade für dich und für alle! Betend trägst du mit am Kreuz der Menschen.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

3. Station: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Zu schwer das Kreuz, zu holprig der Weg, zu belastend die Situation. Das ist unerträglich. Das Gewand Jesu verwickelt sich am Kreuz, um den Körper zu schützen vor dem harten Holz der Last.
Eine Hand versucht, das Kreuz vom Haupt fernzuhalten, die andere greift suchend nach einem Halt, nach einem, der hält. Wo ist jemand für mich, wer räumt die Stolpersteine aus dem Weg, die absichtlich oder fahrlässig hingeworfen wurden? Wer hilft?
Ecce homo – seht ein Mensch, welch ein Mensch! Seht, das ist der Mensch: belastet und beladen! Der Herr anstelle aller, die Kreuzträger sind, gezwungen oder freiwillig – krank oder von Krankhaften geknechtet. Und der Ruf der geöffneten Hand: Ich brauche dich – hilf mir doch. Ich verspreche dir, wenn du Hilfe brauchst, fasse ich nach deiner Hand, räume Steine beiseite, denn ich weiß, wie dir dann zu Mute ist.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Station: Jesus begegnet seiner Mutter

Worte fehlen, können den Schmerz nicht ausdrücken. Maria versinkt im Leid. Ihr Gesicht ist fast ganz verdeckt: „Ich kann nicht mehr helfen, nur da sein.“ Jesus gibt ihr Mut und Halt. Er schaut auf das Kreuz, auf den Willen Gottes.
Der Künstler drückt das innige Miteinander von Jesus und Maria aus, indem er nur zwei Hände sichtbar macht und das faltenreiche Kleid beide umschließen lässt: Zerfurchtes Leben wird erträglich im gemeinsamen, verstehenden Begegnen. Der Wille des Vaters fordert den Abschied vom Liebsten.
Und noch eines ruft der Künstler uns ins Gedächtnis: Eine Andacht, die im alten „Laudate“ stand und ins Gotteslob nur spärlich aufgenommen wurde: die sieben Schmerzen Mariens. Die drei unblutigen Schmerzen: Die Weissagung des Simeon: „Ein Schwert wird deine Seele durchdringen“ – Die Flucht nach Ägypten – Der zwölf-jährige Jesus im Tempel. Und die vier blutigen Schmerzen Mariens: Begegnung auf dem Kreuzweg – Maria unter dem Kreuz – Jesus tot im Schoß seiner Mutter – Jesus wird ins Grab gelegt. Die drei weißen und die vier roten Steine im Original erinnern daran.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

5. Station: Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Simon von Zyrene, ein Bauer, Landarbeiter, er hat noch den Staub an seinen Kleidern. Er sieht und hilft und wächst so über sich selbst hinaus. Der Mensch, der im Leiden anderen helfend begegnet, erreicht eine ungeahnte Größe. Jesus kann aufatmen – kann für kurze Zeit sein Kreuz den Menschen überlassen und überall, wo Menschen Leid lindern, Werke der Barmherzigkeit verwirklichen, sagt uns Jesus: Danke! Danke, dass du mitträgst! Danke, dass ihr, die ihr als Christen gemeinsam mein Wort habt, das Kreuz der Menschen, das letztlich mein Kreuz ist, zu eurem Kreuz macht – um der Erlösung willen.
Diese Station wurde von der evangelischen Kirchengemeinde gestiftet – ein bleibendes Zeichen des ökumenischen Miteinanders.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6. Station: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Eine mutige Frau! Fast wie ein Engel! Sie fürchtet nicht die dummen Bemerkungen derer, die gaffen und nicht verstehen. Sie sucht den Blick des Herrn und so begegnen sie sich: Das flatternde, zerfledderte Kleid ist Ausdruck des kraftvollen Begegnens: drängend – alles andere vergessen – unwichtig – DU, Herr! Und ruhig, dankbar, vertrauend nimmt der Herr an: „Danke, Veronika, dir und allen, die sehen und helfen!“ Die Verbundenheit gibt Kraft, den Berg des Leidens zu bezwingen.
Links ein Häufchen Aufrechter, Mitfühlender, Dabeigebliebener: Du, dein Leid geht mir zu Herzen. DU! Und bewusst lässt hier – wie in jedem Bild – der Künstler die Erdfarbe, den Ton, durchscheinen: Das, woraus wir geschaffen sind.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Allein, wieder allein – mit der ganzen Last des Kreuzes. Es wird zuviel. Und immer wieder sind da die kleinen und großen Steine auf dem Weg!
Der zweite Kreuzfall – dem Boden näher! Dem Tod näher als dem Leben!
Da sind sie und schauen von oben herab: die Gierigen, die Sensationssüchtigen, die Ironischen, die Spöttischen und die, die sich nichts entgehen lassen: - Helfen? Auf keinen Fall! Aber gaffen – glotzen – auskosten! So etwas bekommt man ja nicht jeden Tag geboten!
Und die zwei kleinen Kreuze auf der Seite machen schlicht aufmerksam: Das Kreuz, das Fallen unter dem Kreuz ist im Leben (erdfarbener Ton) nicht das Entscheidende. Fang immer wieder an, die Kraft des Kreuzes trägt dich!

(Johann Menzinger)
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen

Dramatisch – eine Gerichtsszene auf offener Straße – Abrechnung – Heulen – Weinen! Es gibt nur einen Ausweg! Jesu Hand weist ihn: Zum Vater, zu seiner verzeihenden Liebe, zu ihm, der unser Weinen hört und erhört. Die Dramatik wird dadurch gesteigert, dass das Kreuz Jesu nicht plastisch dargestellt ist, sondern wie ein Schatten, ja, wie die Lanze des Heiligen Georg fährt es dazwischen – schneidend – trennend – teilend! Ratlos weinen die Frauen. Sie werden hingewiesen auf den Helfer. Und um Jesus herum stehen sie, die das Leid mitfühlen wollen und sich vielleicht oberflächlich beeindrucken lassen – es muss in die Tiefe gehen, in die Tiefe der eigenen Schuld, die Ursache so vieler Leiden ist.
Es gibt für das Entrinnen nur die schneidende Kraft des Kreuzes, die uns in Christus den Weg weist. Weinen über den Zustand der Welt genügt nicht! Es ist notwendig, dass ich selbst ehrlich meine Mitschuld eingestehe und entschiedener den nötigen Weg sehe und gehe: Dort – im Vater!

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

 

9. Station: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Aus – vorbei, dem Ende nahe! Es hilft kein Arzt, keine Medizin! Niemanden mehr möchte Jesus bemühen. Es gibt nur noch das Sterben! Das Kreuz liegt auf ihm – kein Aufkommen, kein Davonkommen! Eingezwängt zwischen den drei Kreuzen: „Schach matt!“ Erschlagen durch „mea culpa“ – „meine Schuld“. Die Hände können nicht mehr stützen. Der Herr ist total am Ende.
Wenn wir wenigstens noch ehrlich zugeben: „mea culpa“ – „meine Schuld“, dann ist sein dritter Fall „berechtigt“. „Mea culpa“ – ehrlich – ohne Beschönigen – ohne „dies und das ist schuld“, ohne „Wenn und Aber“.
„Jesus, die Schuld der Menschen, auch meine Schuld hat dich endgültig fertiggemacht. Aus! Vorbei! Ende! Und doch, Herr, dein strahlendes Gewand lässt hoffen, ist der Hinweis auf die Herrlichkeit! Herr, deine Last ist meine Schuld, aber dein JA ist meine Hilfe.“
Wir können Hoffnung haben selbst noch im Tod, weil Jesus uns die strahlende Herrlichkeit Gottes anbietet. Gewiss ist: Gott nimmt das Leid nicht weg, aber er hilft tragen.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

10. Station: Jesus wird seiner Kleider beraubt

So steht er da vor der johlenden Menge: erbärmlich, geschlagen, beraubt, nichts mehr, was Geborgenheit gibt. Ein Bild des Jammers! Es fliegen die Fetzen!
Das letzte Gewand weg – nichts mehr hat dieser Mensch Jesus. Die Würfel sind gefallen! Doch auf einem Würfel erscheint die Drei – die Zahl für Gott – ein Hinweis für den, der sehen kann: „Nichts kann mich der Hand, der Liebe des Vaters entreißen.“
„Kleider machen Leute“ und Unbekleidete? Die, denen das Gewand des Verstandenseins, der Geborgenheit, der Ehre, der Würde genommen ist, sie dürfen in Jesus erfahren: „Wenn sie dir alles nehmen, wenn sie dich misshandeln, wenn über dir die Würfel gefallen sind, halte dich an mich! Ich weiß, ich verstehe, ich bin wie du!“

Von Menschen der Würde beraubt – vom Vater gewürdigt!

Anmerkung: Gleich, zu welcher Nachmittagszeit Sie unsere Kirche besuchen, stets liegen auf dieser Stelle „Glanzlichter“ vom rückwärtigen Fenster und auf dieser Seite werden von Station zu Station die Farben heller, strahlender, eingehender – trotz Kreuzigung und Tod der Auferstehung entgegen!

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

 

11. Station: Jesus wird ans Kreuz genagelt

Nicht nur am Boden, sondern sogar angenagelt am Kreuz! Endgültig! Das Leben ist zerstört, die Liebe außer Kraft, die Menschlichkeit am Ende! An welchem Ende? An dem Ende, das Menschen sinnlos nennen und das den Anfang dessen bildet, was in Gottes Augen liebevoll ist: „Agnus Dei“ – „Lamm Gottes“, das sich im Leiden für die anderen hinhält ohne Gegenwehr, ohne Hauen und Stechen, ohne Drohen und Abrechnen.
„Agnus Dei, qui tollis peccata mundi“: „Lamm Gottes, du nimmst auf dich die Schuld der Welt“.
„Für die, die deine Hilfe brauchen, Vater; für die, die ohne deine Liebe zu Grunde gehen, die entrechtet und Opfer von Macht, Sex und Unmenschlichkeit sind; für sie und noch mehr für die, die all das verschulden, für die Sünden der Welt, einer Welt, die meint, sich alles erlauben zu können, Göttliches und Menschliches mit Füßen tritt; für sie lasse ich zu, dass meine Hände untätig gemacht werden, meine Füße keinen Schritt mehr gehen können!“
Zeichen meines Eins-seins: Agnus Dei! Jesus, Lamm Gottes, du nimmst auf dich die Schuld der Welt, du teilst unser Schicksal wie ein Liebender, weil du nicht willst, dass es dir anders geht als mir, deinem geliebten DU!

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

 

12. Station: Jesus stirbt am Kreuz

Auf dem Berg, die ragenden Balken! Golgota – Nacht des Todes! Jesus, Maria und Johannes, verbunden miteinander im Unfassbaren. Die Drei bilden eine Einheit – das Leid, die Trauer, der Tod haben sie zusammengeschweißt. Sie verwirklichen: Vater, in deine Hände!
Die zur rechten Seite wenden sich ab: Sterbende kann ich nicht sehen! Keine Zeit! Vielleicht gibt es irgendwo etwas, was noch sensationeller ist. Das hier ist zu Ende. Weg von hier!
Und gegenüber: Zwei bleiben da. Sie haben Zeit und Mut, um ihre Nähe zu schenken, um zu zeigen: Selbst im Sterben bist du nicht allein, weil du uns nicht gleichgültig bist. Vielleicht sind es zwei, denen Jesus geholfen hat. Zwei, die wissen, der Mensch braucht Freunde – gerade auch im Nicht-mehr-Können des Sterbens. Das Sterben, der Tod, die Herausforderung des menschlichen Lebens.
Der Dichter Paul Claudel sagt: „Jesus ist nicht gekommen, das Leid und den Tod zu erklären oder zu beseitigen, sondern er ist gekommen, Leid und Tod mit seiner Gegenwart zu erfüllen.“

(Johann Menzinger)
 

 

 

 

 

 

 

13. Station: Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

In der Ergebenheit gegenüber dem Willen Gottes steht Maria das Unabänderliche durch. Sie erträgt das Widrige, das Skandalöse des durchkreuzten Lebens ihres Sohnes. Zu Ende, sinnlos ist nun Widerstand gegen Leiden-Müssen, gegen die Bosheit der Menschen, gegen das ungerechte Sterben Jesu für die leidenden Menschen aller Zeit. Der Widerstand weicht der vertrauenden Ergebung: „Wenn es denn sein muss!“ „Vater, dein Wille geschehe!“ Es ist ein schmerzliches, das Leben und Leiden zusammenfassendes „Siehe, ich bin die Magd des Herrn!“ Die ganze Kraft des Glaubens braucht Maria, um auch hier da zu sein – ein letztes, verletztes, getötetes Miteinander.
Und wir tun gut daran, in ihrer Nähe zu bleiben, um von ihr zu lernen, unser Ja zu sagen – bis zur äußersten Konsequenz! Maria ist durch ihr auch in der Bitterkeit bleibendes Ja bereit, das Lob Gottes selbst in der äußersten Bedrängnis, am Abend, beim Tod ihres Sohnes zu verwirklichen. Der Abend ist die Stunde des Opfers seit dem Auszug der Hebräer aus Ägypten. Und deshalb bezeichnet die mittelalterliche Frömmigkeit die Darstellung „Maria mit dem Leichnam Jesu auf dem Schoß“ als „Vesperbild“ – als Stunde des abendlichen Opfers für alles menschliche Leid und Dunkel, für alles „Aus und Vorbei“. Auch in der bittersten seelischen Qual verwirklicht Maria ihr Ja zum Willen Gottes.

(Johann Menzinger)

 

 

 

 

 

14. Station: Jesus wird ins Grab gelegt

Leiden und Kreuz, Dunkel und Tod sind niemals das Letzte. Für den Glaubenden sind sie Schwelle und Übergang, - wie von der erdschweren 13. Station zur lichtvollen 14. – Vorbereitung zur Teilhabe an der Fülle des Lebens. In diese frohe, befreiende Botschaft nimmt uns der Künstler hinein: Er beginnt diese letzte Kreuzwegstation, diese erste Auferstehungsstation unten im Bild – das Gewand ist noch ganz! Und je weiter unser Blick den Falten folgt, umso mehr treten diese zurück, werden zerstückelt, unbedeutend. Der Mensch, das Menschliche ist aufgelöst, hineingetaucht, hineingetragen durch die porta mortis – durch das Tor des Todes – in die porta vitae – in das Tor des Lebens, in die Kraft des Lebens und der Liebe. Das Nichtige zerfällt, das Große enthüllt sich. In der Entäußerung erfahren wir das Bleibende zu einem frohen, getrösteten, geliebten, „gezielten“ Leben. Und diese Mitte ist Zuflucht, Rast und erneut Aufbruch. Leben ist nun durchstrahltes Leben, das uns mutig und leicht zurückgehen lässt zum Ausgangspunkt, zu unserem Leben. In allem sind wir umfangen von der Liebe des Schöpfers, geleitet von der Herzlichkeit des Erlösers, getröstet von der liebenden Kraft des Geistes: „Ich lebe – auch ihr sollt leben.“
Wir haben uns lange überlegt, ob wir die in manchen neueren Kreuzwegen angebrachte 15. Station „Auferstehung“ gestalten. Wir sind der Meinung, dass dies in unserer Kirche nicht nötig ist. Zum ersten ist in der 14. Station so viel an Auferstehungsglaube, -licht und -gewissheit vorhanden, dass es fast nicht mehr mit menschlichen Ausdrucksmitteln überbietbar ist, und zum anderen: Machen Sie bitte den „Sprung“ auf die andere Seite, zum Tabernakel, in dem sich Auferstehung verwirklicht!

 

 

 

Worte zum Abschluss
Die 13. Station ist von der Erdenschwere, dem Leid, dem Tod bestimmt. Zwischen ihr und der 14. Station entsteht ein Riss: Tod – Leben; Dunkel – Licht; lichtlos – lebendige Hoffnung: durch das Tor des Todes (porta mortis) in das Tor zum Leben (porta vitae). Anmerkung: Erst beim Näherkommen entschlüsselt sich dieses Geheimnisvolle dem Auge, wird die Schrift deutlich und aussagekräftig!
Die weißen Gewandreste werden aufgenommen, angesogen, der Mitte entgegen! Wie in einem Lichtwirbel wird es immer heller, bis sich im Zentrum beinahe die Auflösung des Lichtes ereignet. Da geschieht Auferstehung! So geschieht Auferstehung! Und deshalb können wir mit Blicken, Gedanken oder tatsächlich vom Auferstandenen aus nach allen Seiten ins Licht, ins Leben gehen, neu werden. Das bewirken Glauben, Hoffnung und Licht. Diese Gewissheit ist gestaltetes Licht: Die Liebe siegt, macht lebendig!

(Johann Menzinger)

 

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